In letzter Zeit wird häufig die Frage gestellt, ob Lehrer wirklich Beamte sein müssen. Das hängt einerseits damit zusammen, dass inzwischen das Gehalt eines Lehrers durchaus lukrativ geworden ist und von anderen Berufsgruppen geneidet wird, andererseits aber auch, dass es ein sicherer Arbeitsplatz ist. Die andere Frage ist, ob Lehrer streiken dürfen. Der Europäische Gerichtshof bestätigt das, das Beamtengesetz verbietet es. Sollen also Lehrer streiken dürfen und müssen Lehrer wirklich Beamte sein?
Man muss das aus der geschichtlichen Entwicklung sehen und auch nach der finanziellen Seite hin betrachten. Beamte gab es bereits im Altertum. Als Gegenleistung für ihre unbedingte Treue den Herrschern gegenüber verpflichtete sich der Herrscher, sie lebenslang angemessen zu versorgen. In Deutschland waren es im Mittelalter die Fürsten, die ihre Verwaltungsaufgaben durch Beamte erledigen ließen, später die preußischen Könige, die die Grundlage für das heutige Beamtentum schufen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden die Beamten dem Staat und Gesetz verpflichtet und mussten die anwachsende Flut von Gesetzen und Verwaltungsvorschriften umsetzen. Das wurde immer weiter perfektioniert bis in die Zeit des Nationalsozialismus mit teilweise üblen Auswirkungen.




Nach dem 2. Weltkrieg schafften die Alliierten das Beamtentum zwar ab, aber es wurde nach Gründung der Bundesrepublik schnell klar, dass man  für die Fülle der Gesetze, die der neue Bundestag beschloss, wieder Beamte brauchte. So wurde denn auch 1950 in das Grundgesetz übernommen, dass die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes übertragen wird, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen. Dazu sollen die Grundsätze des Berufsbeamtentums herangezogen werden (GG Art. 33, Abs.4 und 5). In der DDR gab es keinen Beamtenstatus, sondern alle, die hoheitsrechtliche Angelegenheiten zu regeln hatten, waren Staatsangestellte, obwohl die Bezeichnungen der Lehrer, Studienräte und Oberstudienräte beibehalten wurden.Da auch die allgemeine Schulpflicht im Gesetz festgelegt wurde, bedeutete das, dass der Staat verlangte, dass jedes Kind in die Schule geht und eine Grundbildung erhält. Das ist bis heute eine lobenswerte Errungenschaft des deutschen Staates, weil er ja auch dafür viel Geld ausgibt. Die Schulen müssen gebaut und unterhalten werden, die Lehrer müssen ausgebildet und bezahlt werden. Das ist zwar in unserem föderalistischen System Ländersache, ändert aber nichts an dem Prinzip. Nach den Vorstellungen derer, die das Beamtentum eingeführt haben, ist das eine wichtige und hoheitliche Aufgabe des Staates bzw. der Länder.  Diese Aufgabe muss mit Menschen erledigt werden, die zuverlässig sind, dem Staat gegenüber loyal sind und auch nicht streiken, wenn sie mit irgendwelchen Dingen unzufrieden sind. Schließlich muss ja gewährleistet sein, dass der Schulbetrieb kontinuierlich weiterläuft. So wurde der Beamtenstatus nach dem 2. Weltkrieg wieder eingeführt. Dasselbe wurde für die Polizei, die Post, die Justiz und die Armee vereinbart. Der Staat wiederum verpflichtete sich im Gegenzug, diese Beamten auch entsprechend zu besolden.Zuschläge für die Familie, die örtlichen Gegebenheiten (ob Land oder Stadt), den Sonntagsdienst oder die Dienstkleidung  wurden gesondert vereinbart. Vom Gehalt, das der Beamte bezog, wurde grundsätzlich ein gewisser Prozentsatz abgezogen und als Rücklage für die spätere Pension einbehalten. Der Staat hatte sich nämlich verpflichtet, nach Ablauf einer Dienstzeit von 35 Jahren für seine Pensionäre und deren Witwen zu sorgen. Wer aus irgendwelchen Gründen vorher ausschied, sollte nur eine anteilige Pension bekommen. Gleichzeitig wurde eine Beihilfe für den Krankheitsfall zugesichert, die der gesamten Familie des Beamten zugute kam.

Man legte für die Beamtung gewisse Grundsätze fest (z.B. deutsche Staatsangehörigkeit, einen stabilen Gesundheitszustand, keine Vorstrafen und eine positive Haltung zur Staatsform). Nach einer mehrjährigen Probezeit versprach der Staat oder das Bundesland als Gegenleistung eine lebenslange Beschäftigung, wenn der Beamte nicht irgendwelche Dummheiten oder Straftaten beging.

Dieses System funktionierte zunächst ganz gut, weil der Verdienst der Beamten unter dem der freien Wirtschaft lag. Wer einen sicheren Arbeitsplatz suchte, konnte sich für eine Beamtenlaufbahn entscheiden, musste aber in Kauf nehmen, dass er weniger verdiente und in ein Besoldungssystem einstieg, bei dem man alle zwei Jahre nach Lebensalter eine Stufe höher kletterte. Nach 12 Stufen war das Ende erreicht, und mehr gab es einfach nicht. Die Endstufe der Besoldungsgruppe war erreicht. Man konnte auch nicht weiterkommen, ohne ein Zusatzstudium  absolviert zu haben. Alles war ziemlich starr vorgegeben: Wer einen Volksschulabschluss oder einen Hauptschulabschluss hatte, konnte nur in den einfachen Dienst eintreten, wer einen Realschulabschluss oder den Sekundarabschluss hatte, konnte in den mittleren Dienst eintreten. Für Lehrer bedeutete das, dass sie nach einem Studium automatisch in den gehobenen Dienst kamen, wenn sie Abitur hatten und ein Studium nachweisen konnten. Ihre Laufbahn begann also mit  A11 oder A12. Wer Gymnasiallehrer werden wollte, musste länger studieren und wurde später in den höheren Dienst eingestuft, also z.B. mit A13 plus Zulage. Diese Besoldungsgruppen waren im Übrigen durch Tabellen festgelegt und konnten öffentlich von jedem Bürger eingesehen werden. Das war ein wesentlicher Unterschied zu den Tarifvereinbarungen in der freien Wirtschaft – da wusste keiner, was der andere Mitarbeiter in der Firma verdiente.

Im Prinzip war das der entscheidende Faktor, der auch die Berufswahl stark beeinflusste: Die Beamtenlaufbahn war sicher, aber auch starr – mit geringen Beförderungschancen. Die Lehrerlaufbahn insbesondere, denn wer sich für das Lehrerdasein entschied, für den kam als Beförderungsposten höchstens noch eine Schulleiterstelle in Frage. Und da es davon auch nicht so viele gab, waren diese Aussichten beschränkt. Vorteilhaft war allerdings, dass man sich nicht mehr anstrengen musste, wenn man einmal verbeamtet war. Das Gehalt wurde jeden Monat im voraus überwiesen und es fragte keiner danach, wie fleißig man dafür gearbeitet hatte. Dem Lehrerdasein brachte das einen schlechten Ruf ein, denn ein fauler Lehrer konnte nachmittags Tennis spielen, während der fleißige seine Vorbereitungen für den nächsten Tag machte. Es kontrollierte auch kaum jemand, ob sich ein Lehrer viel Mühe mit Korrekturen gab und sehr ausführliche Kommentare unter die Arbeiten schrieb oder ob er lediglich eine Ziffer als Note darunter setzte.
Anders in der freien Wirtschaft: Hier gab es für gute Facharbeiter eine wesentlich bessere Bezahlung und für Akademiker eine breite Palette von Betätigungsfeldern mit lukrativen Gehältern, die deutlich höher als bei den Beamten lagen. Im Gegensatz zu den Beamten wurde jedoch das Leistungsprinzip zugrunde gelegt. Wer gute Leistungen zeigte, der konnte ein gutes Gehalt und eine gute Position auf dem Arbeitsmarkt erwarten.

Das hat sich in den letzten Jahren grundlegend geändert. Die oben genannten Bedingungen stimmen in vielen Bereichen nicht mehr. Einerseits ist das Gehalt eines Lehrer durchaus lukrativ geworden und der sichere Arbeitsplatz ist mindestens genau so viel wert. Ich bekomme sehr viele E-mails von Angestellten aus der freien Wirtschaft, die nicht verstehen, dass ich auf meiner Webseite Besoldung von Lehrern geschrieben habe, dass das Gehalt eines Lehrers im Vergleich zu seinem Arbeitsaufwand und seiner nervlichen Belastung noch zu gering ist. Sie würden weit mehr arbeiten müssen und viel weniger verdienen. Ein Lehrer brauche keine Krankenkassenbeiträge zu bezahlen und keine Sozialversicherung. Außerdem bekäme er im Krankheitsfall Beihilfe und habe so viel Urlaub im Jahr wie sonst kein anderer Arbeitnehmer. Ein Ingenieur in einer Maschinenbaufirma habe bei mindestens gleichen Hochschulabschlüssen und gleichen beruflichen Leistungen am Ende eines Monats viel weniger netto in der Tasche als ein Lehrer.

Es hängt in der Tat teilweise mit dem Beamtenstatus zusammen. Schließlich gibt es inzwischen auch viele Lehrer im Tarifbeschäftigungsverhältnis. Auf meiner Webseite Gehalt und Besoldung habe ich eine Musterrechnung aufgemacht, aus der hervorgeht, dass ein Lehrer im Tarifbeschäftigungsverhältnis  etwa 300-500 € monatlich weniger verdient als sein verbeamteter Kollege. Aus diesem Grund streben zunächst einmal alle Lehramtsbewerber die Verbeamtung an. In NRW darf man dafür nicht älter sein als 40 Jahre, das ist ein großzügiges Angebot, denn in dieser Zeit kann man durchaus sein Studium und seine Vorbereitungszeit abgeleistet haben. Sogar Elternzeiten sind damit noch drin. Oder sogar völlig andere Berufe. In Nordrhein-Westfalen gibt es zur Zeit 192 000 Lehrer. Von denen sind 34 000 Angestellte, die restlichen Beamte.
Da heutzutage ein abgeschlossenes Hochschulstudium von acht Semestern als erste Staatsprüfung anerkannt wird, ergeben sich für so genannte „Seiteneinsteiger“ günstige Gelegenheiten, den Beruf zu wechseln und noch Lehrer zu werden. Schaffen sie das vor dem 40. Lebensjahr, werden sie sogar noch verbeamtet. Da es zu wenig Fachkräfte für den naturwissenschaftlichen und sprachlichen Bereich gibt, wirbt der Staat mit solchen Angeboten für Seiteneinsteiger.
Es hat sich aber nicht nur das Gehalt bei den Lehrern geändert, sondern auch der Arbeitsaufwand. Es ist heute nicht mehr möglich, „sich auf die faule Haut zu legen“ und „den Nachmittag zu genießen“. Durch die Einführung der Ganztagsschulen hat sich der Schultag sehr verlängert und reicht bis in den späten Nachmittag hinein. Lehrerinnen und Lehrer werden sehr viel stärker kontrolliert als früher. Das geschieht nicht nur im Rahmen der Qualitätsanalyse durch regelmäßige Schulinspektionen, sondern auch durch jährliche zentrale Tests und Lernstandserhebungen. In diesen müssen die Lehrer nachweisen, dass die Schüler einen bestimmten Kenntnisstand erreicht haben. Neue Kernlehrpläne für alle Fächer geben die verbindlichen Lerninhalte vor, die in jeder Klassenstufe durchzunehmen sind.. Der Spielraum der Lehrer ist also sehr gering geworden. Jede einzelne Unterrichtsstunde zählt – und diese darf auch nicht ausfallen, sondern muss vertreten werden. Diese höhere Verpflichtung des Lehrers auf positive Lernergebnisse wurde verbunden mit der individuellen Förderung der Schüler. Im Endeffekt bedeutet das, dass sich kein Lehrer mehr „auf die faule Haut legen“ kann, sondern einer permanenten Kontrolle von Schülern, Eltern und der Schulaufsicht unterliegt.
Diejenigen, die neidisch auf den Job des Lehrers sind, sollten daran denken, dass es ein harter Job ist, den diese Menschen dort in der Schule täglich leisten.
Das gilt natürlich auch für die angestellten Lehrer, die seit einigen Jahren nicht mehr als „Angestellte“, sondern als „tarifbeschäftigte Lehrkräfte“ geführt werden. Angestellte müssen den Eigenanteil für ihre Sozialversicherung selbst zahlen und klagen deshalb über den großen Einkommensunterschied zu den Beamten, obwohl sie genau dieselbe Tätigkeit verrichten wie die Beamten. Das ist verständlich und richtig, denn es macht durchaus mehrere hundert Euro im Monat aus.
Das Land NRW will natürlich vorrangig an den Lehrern als Beamte festhalten, weil diese weniger Kosten verursachen. Für das Land ist der Beamtenstatus billiger, weil keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden müssen. Ähnlich verhält es sich auch mit der Beihilfe und der Krankenversicherung.

Die Pensionslawine beginnt zu rollen

In den nächsten Jahren wird es kritisch werden, wenn die Pensionslawine an Fahrt gewinnt. Das Land NRW legt zwar für jeden neu eingestellten Beamten monatlich 500 € auf die hohe Kante, indem es diesen Betrag in einen Pensionsfond einzahlt, aber das wird voraussichtlich kaum ausreichen, um die große Masse der Pensionäre zu versorgen.
Der Bund der Steuerzahler bemängelt, dass die Milliardenbeträge nicht mehr aufgebracht werden können, weil die Zahl der Beitragszahler demnächst nicht mehr ausreichen würde, um die notwendigen Pensionen zu finanzieren.

Der Bund der Steuerzahler ist gar nicht gut auf die Beamten zu sprechen. Er wirft der Landesregierung NRW vor, dass sie besser auf die Tarifangleichung an die Angestellten hätte verzichten sollen. Das hätte Hunderte von Millionen Euro eingespart. Außerdem sollten die Reformen im Rentenrecht auf die Beamtenpensionen übertragen werden. Dadurch könnten Milliardenbeträge eingespart werden. Gemeint ist die Heraufsetzung der Lebensarbeitszeit auf 67 Jahre , die Nichtberücksichtigung von Ausbildungszeiten sowie der Einbau eines „Nachhaltigkeitsfaktors“.
Es gibt aber eine sehr gute Zusammenstellung des Deutschen Beamtenbundes unter dem Titel „Die 7 Irrtümer zur Beamtenversorgung“, in dem die Vorurteile den Fakten gegenübergestellt werden.
Lesen Sie diesen Text. Es ist nämlich nötig, dass unseriöse und polemische Beiträge aus der Presse richtig gestellt werden. Auf den Staat kommen in der nächsten Zeit zweifellos gewaltige Pensionsausgaben zu, die durch die starke Einstellung von Beamten in den 70er Jahren, der Überalterung des öffentlichen Dienstes und der mangelnden Vorsorge durch die Politiker zustande kommen. Aber zur Lösung des Problems helfen keine Neiddebatten, sondern nur sachliche Finanzierungsvorschläge.